Kalifornische Gopherschildkröte, Gopherus agassizii, – © H. Bradley Shaffer

Daly - 2018 - 01

Daly, J. A., K. A. Buhlmann, B. D. Todd, C. T. Moore, J. M. Peaden & T. D. Tuberville (2018): Comparing Growth and Body Condition of Indoor-reared, Outdoor-reared, and Direct-released Juvenile Mojave Desert Tortoises. – Herpetological Conservation and Biology 13(3): 622-633.

Der Vergleich des Wachstums und der Körperkondition bei jungen Mojave-Wüstenschildkröten in der Innenhaltung, der Außenhaltung und nach dem Aussetzen im Freiland.

DOI: None

Kalifornische Gopherschildkröte, Gopherus agassizii, – © H. Bradley Shaffer
Kalifornische Gopherschildkröte,
Gopherus agassizii,
© H. Bradley Shaffer

Wüstenschildkrötenpopulationen (Gopherus agassizi) verzeichneten starke Rückgänge und sogenannte Head-Startanzuchten in Gefangenschaft sollen größere und ältere Tiere für die Auswilderung produzieren deren Überlebenschancen wahrscheinlich höher liegen. Um diese Anzuchten zu überprüfen wie sie zur Bestandserholung beitragen können wurden sie getestet. Frühere Studien hielten die Schlüpflinge draußen in vor Beutegreifern geschützten Gehegen für 5-9 Jahre bis zur Auswilderung. In dieser Zeit wurde eine größere Anzahl an Schlüpflingen bis zu einer Carapaxlänge von 100-110 mm herangezogen, da man davon ausgeht, dass sie ab dieser Größe widerstandsfähiger gegenüber Beutegreifern sind. Wir führten hier eine vergleichende Studie durch mit dem Ziel diese Anzuchtperiode zu verkürzen indem wir das initiale Wachstum beschleunigen. Dazu teilten wir 70 frisch geschlüpfte Tiere aus der Nistsaison von 2015 in drei Haltungsgruppen auf: Gruppe (1) Innenhaltung (n = 30), (2) Außengehege (n = 20) und (3) direkte Auswilderung (n = 20). Die Schlüpflinge der dritten Gruppe wurden direkt nach dem Schlupf im September 2015 ausgewildert und mittels der Radiotelemetrie 1-2 Mal pro Woche lokalisiert. Die Innenhaltungsgruppe und die Außenhaltungsgruppe hielten wir für jeweils 7 Monate bevor sie im April 2016 ausgewildert wurden. Die Schildkröten in der Innenhaltung wurden von September – März 5-mal pro Woche gefüttert. Die Außengruppe hatte Zugang zu natürlicher Vegetation und sie wurden zusätzlich einmal pro Woche mit Wasser und zusätzlichem Futter bis zur Winterruhe versorgt. Die Schildkröten der Innengruppe wuchsen mehr als 16-mal schneller als die direkt ausgewilderten Schlüpflinge der Gruppe 3 und mehr als 8-mal schneller als jene der Gruppe 2 im Außengehege. Allerdings wogen die Schildkröten der Innengruppe weniger und sie hatten weichere Panzer als vergleichbar große 3-4 Jahre alte Schildkröten die in Außengehegen lebten. Eine verlängerte Innenhaltungsperiode oder eine Kombination aus Innenhaltung gefolgt von Außenhaltung könnte die Panzerhärte bei den Head-Starts verbessern und gleichzeitig den wachstumsfördernden Effekt der Innenhaltung aufrechterhalten um die Gesamtzeit der Gefangenschaftshaltung insgesamt zu verkürzen.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Diese Arbeit enthält einige interessante zu überdenkende Aspekte zur Landschildkrötenhaltung und verweist auch auf interessante Literatur, wenn auch meist für Wüstenschildkröten. Allerdings möchte ich gleich vorweg bezweifeln, dass die Maßnahmen die hier im letzten Satz zusammenfassend genannt werden wohl kaum dazu ausreichen dürften bessere Jungschildkröten für die Auswilderung und Bestandaufstockung heranzuziehen. Was die Autoren hier im Detail für die Innenaufzucht gemacht haben kann hier nicht komplett wiedergegeben werden (siehe dazu die Originalarbeit), aber die wichtigsten Fakten sind wohl, dass sie die Schlüpflinge über den Winter durchgefüttert haben, wobei letzteres auch den größten Unterschied zu den draußen verbliebenen Tieren ausmacht, da diese ja eine Winterruhe einlegten. Als weiteres sollte erwähnt werden, dass dazu zwar Spot- und Infrarotstrahler eingesetzt wurden, aber keine UVB emittierende Beleuchtung. Lediglich später wurde das Futter mit Vitamin D angereichert. Verfüttert wurde hier ausschließlich eine Nahrung die zu 50 % aus 5 käuflichen Grünpflanzenarten bestand deren Zusammenstellung laut einer Publikation von Jarchow et al., (2002) die für Wüstenschildkröten notwendigen Mengen an Kalium und Phosphat liefern, damit darüber auch eine normale Calciumaufnahme und der Einbau in die Knochen gewährleistet wird. (Man lese Kalium und Phosphat!!! Siehe dazu auch Hazard et al., 2010 mit Kommentar). Dazu kamen dann noch 25 % Futterpellets (ZooMed® Grassland Tortoise Diet, ZooMed® Laboratories Inc., San Luis Obispo, California, USA) und 25 % Wasser zum Aufweichen der Pellets. Diese Futtermischung wurde 5-mal pro Woche verabreicht und bei den draußen gehaltenen Schildkröten die die Naturpflanzen nutzen konnten nur einmal pro Woche zu gefüttert. Zudem wurden den innen gehaltenen Schildkröten ein feuchter Ruheplatz geboten um Pyramidenbildung zu verhindern. Wie die Autoren ja selbst im Abstract hervorheben waren die innen gehaltenen Schildkröten zwar etwas mehr als 16-mal größer als die gleichaltrigen Schlüpflinge in der Natur und 8-mal größer als die draußen mit Winterruhe gehalten gleichaltrigen Schlüpflinge. Allein das zeigt schon klar welchen Unterschied allein die Ruhephasen für das normale Wachstum haben. Etwas was ja hierzulande von den meisten Autoren kaum berücksichtigt wird (siehe z. B. Ritz et al. 2010; 2012). Aber auch die Nahrung und die regelmäßige Wasserversorgung hat trotz der Überwinterung selbst bei der draußen in Gefangenschaft gehalten Gruppe 2 einen deutlichen Zuwachsvorteil gebracht. Allerdings zeigte sich, dass die Panzermineralisation bzw. Verknöcherung eben anscheinend nicht so war wie bei gleichgroßen, aber dafür etwa 36-48 Monate älteren Schildkröten die normal im Freiland lebten. Hier stellen sich eigentlich zwei wesentliche Fragen? Da junge Landschildkröten ja eigentlich erst spät zum Ende der schnellen Jugendwachstumsphase den Panzer komplett verknöchern (siehe auch Häfeli. & Zwart, 2000) bezieht sich wohl die erste Frage darauf, ob die vollständige Verknöcherung des Panzers nicht wachstumsabhängig, sondern altersabhängig ist? Wenn letzteres der Fall wäre, dann bleibt es sehr fraglich ob man egal wie man es anstellt mit UVB-Strahlung und/oder korrekter Mineralienversorgung in 7 Monaten einen Verknöcherungsstatus erreichen kann den im Freiland aufwachsende Tiere vielleicht auch erst nach 3-4 Jahren erreichen würden (siehe dazu auch Gramanzini et al. 2013; Hazard et al., 2010, sowie die Kommentare). Die zweite Frage wäre dann, ob die Nutzung einer UVB-emittierenden Lampe oder eben Sonnenlicht die Mineralien und insbesondere die Calciumaufnahme auch schon bei sehr jungen Schildkröten wie hier während der ersten 7 Lebensmonate optimieren würde? Wenn die Verknöcherung des Panzers hauptsächlich genetisch festgelegt, altersabhängig erfolgt könnte zwar Vitamin D die Mineralienaufnahme optimieren, würde aber bei Jungtieren auch zu keiner schnelleren Verknöcherung führen und wenn doch dann bleibt die Frage wäre das dann natürlich oder hätte es sogar pathologische Konsequenzen in Bezug auf das Wachstum (siehe Bidmon, 2014; Lapid et al., 2006)? Denn eine zu frühe Hyperkalzifizierung könnte auch das Wachstum beeinträchtigen. Alle diese Fragen sind bislang völlig ungeklärt! (Letzteres wäre aus Sicht der Erhaltungsbiologie auch für die europäischen Arten wichtig zu wissen!). Was sich aber zeigt ist, dass der Preis für schnelleres Wachstum in der Head-Startphase die Schildkröten nicht unbedingt fitter für die Auswilderung macht, denn dort müssen sie sich den rauen Bedingungen der Natur anpassen und ob dazu dann zu große, aber dafür weichere Panzer geeignet sind bleibt zu bezweifeln. Auch steht den Tieren in der Natur im Sommer kein tägliches oder wöchentliches Trink- und Badewasser zur Verfügung was die Frage aufwirft, ob sie dann einen großen, weichen, eventuell sogar „aufgeschwemmten“ Panzer in der Form aufrechterhalten können? Vielleicht schrumpft er dann und wird erst recht höckerig? Das der Panzer allein aufgrund des Futters bei Wüstenschildkröten schrumpfen kann ist nicht unbekannt und schon beschrieben (siehe Hazard et al., 2009). Liebe Leser/innen sie sehen auch diese „wissenschaftlich“ betreuten Haltungsversuche werfen immer noch mehr Fragen auf als sie in Bezug auf die Wachstumsphysiologie der Landschildkröten derzeit beantworten. Denn dazu wäre wohl eine veterinärmedizinisch betreute Ernährungsstudie mit physiologischer und biochemischer Begleitung notwendig, die aber bislang niemand angegangen ist. Vielleicht werden diese Arten ja mal so bestandsbedroht, dass sich jemand als Geldgeber findet um solche notwendigen Grundlagen zu erarbeiten.

Literatur

Abstract und Kommentar stehen auch in der Rubrik Wissenschaft im Fokus in Schildkröten im Fokus 16(2): 27-29, 2019 ➚.


Bidmon, H.-J. (2014): Kommentar zu: Hazard, L. C., D. R. Shemanski & K. A. Nagy (2010): Nutritional Quality of Natural Foods of Juvenile and Adult Desert Tortoises (Gopherus agassizii): Calcium, Phosphorus, and Magnesium Digestibility. – Journal of Herpetology 44(1): 135-147 oder Abstract-Archiv.

Gramanzini, M., N. Di Girolamo, S. Gargiulo, A. Greco, N. Cocchia, M. Delogu, I. Rosapane, R. Liuzzi, P. Selleri & A. Brunetti (2013): Assessment of dual-energy x-ray absorptiometry for use in evaluating the effects of dietary and environmental management on Hermann’s tortoises (Testudo hermanni). – American Journal of Veterinary Research 74(6): 918-924 oder Abstract-Archiv.

Häfeli, W. & P. Zwart (2000): Panzerweiche bei jungen Landschildkröten und deren mögliche Ursachen. – Praktischer Tierarzt 81(2): 129-132.

Hazard, L. C., D. R. Shemanski & K. A. Nagy (2010): Nutritional Quality of Natural Foods of Juvenile and Adult Desert Tortoises (Gopherus agassizii): Calcium, Phosphorus, and Magnesium Digestibility. – Journal of Herpetology 44(1): 135-147 oder Abstract-Archiv.

Hazard, L. C., D. R. Shemanski & K. A. Nagy (2009): Nutritional Quality of Natural Foods of juvenile Desert Tortoises (Gopherus agassizii): Energy, Nitrogen, and Fiber Digestibility. – Journal of Herpetology 43(1): 38-48 oder Abstract-Archiv.

Jarchow, J.L., H.E. Lawler, T.R. Van Devender & C.S. Ivanyi (2002): Care and diet of captive Sonoran desert tortoises. – In: T. Van Devender (Ed.) The Sonoran Desert Tortoise. University of Arizona Press. Tucson, Arizona. pp. 289-311.

Lapid, R. H., I. Nir, & B. Robinzon (2005): Growth and body composition in captive Testudo graeca terrestris fed with a high-energy diet. – Applied Herpetology 2(2): 201-209 oder Abstract-Archiv.

Ritz, J., M. Clauss, W. J. Streich & M. Hatt (2012): Variation in Growth and Potentially Associated Health Status in Hermann’s and Spur-Thighed Tortoise (Testudo hermanni and Testudo graeca). – Zoo Biology 31(6): 705-717 oder Abstract-Archiv.

Ritz, J., E. M. Griebeler, R. Huber & M. Clauss (2010): Body size development of captive and free-ranging African spurred tortoises (Geochelone sulcata): high plasticity in reptilian growth rates. – Herpetological Journal 20(3): 213-216 oder Abstract-Archiv.

Galerien