Gefurchte Erdschildkröte, Rhinoclemmys areolata, – © Francesca M. Cassola

Cassola - 2020 - 01

Cassola, F. M., Y. Henaut, J. R. Cedeño-Vázquez, F. R. Méndez-de la Cruz & B. Morales-Vela (2020): Temperament and sexual behaviour in the Furrowed Wood Turtle Rhinoclemmys areolata. – PLoS One 15(12): e0244561.

Temperament und Sexualverhalten bei der Gefurchten Erdschildkröte, Rhinoclemmys areolate.

DOI: 10.1371/journal.pone.0244561 ➚

Gefurchte Erdschildkröte, Rhinoclemmys areolata, – © Francesca M. Cassola
Gefurchte Erdschildkröte,
Rhinoclemmys areolata,
© Francesca M. Cassola

Die Unterschiede im Temperament zwischen Tieren hat Konsequenzen in Bezug zu deren Evolution und Ökologie. Eine der primären Auswirkungen solch beständiger Verhaltensunterschiede ergibt sich in Bezug zur Reproduktion. Bei Schildkröten haben einige der Autoren den Fokus bei ihren Studien zum Temperament auf die Anwendung verschiedener Methoden gelegt. In unserer Untersuchung war unser erstes Ziel eine geeignete Methode zu entwickeln um den Grad an Wagemut zwischen den Individuen von Rhinoclemmys areolata zu erfassen. Das zweite Ziel war es dann anschließend die Rolle zu bestimmen den Wagemut für die Fortpflanzung spielt und zwar insbesondere bei der Balz und der Kopulation wobei wir die Interaktionen zwischen Männchen und Weibchen und die Kompetition zwischen Männchen betrachteten. Wir verwendeten dazu geschlechtsreife Individuen beiderlei Geschlechts. Dabei wurden die Männchen in Bezug auf vier verschiedene Situationen und in Bezug zu 17 Verhaltensweisen erfasst. Wir wählten dann 12 Verhaltensweisen aus die es uns erlaubten zwischen wagemutigeren und scheueren Individuen zu unterscheiden und wir fanden dabei heraus, dass insbesondere 5 Verhaltensweisen für wagemutigere charakteristisch waren, wohingegen 5 andere für scheuere Individuen charakteristisch waren. In einem zweiten Schritt untersuchten wir dann das Verhalten eines Männchens in Anwesenheit eines Weibchens und zeichneten sowohl das Balzverhalten und die Kopulationsversuche auf. Wagemutigere Individuen zeigten dabei kein wirkliches Balzverhalten und kopulierten sofort. Scheuere Individuen zeigten ein ausgeprägtes Balzverhalten aber es wurden nur sehr selten Kopulationsversuche beobachtet. Letztendlich zeigten die Simulationen die dazu genutzt wurden das Verhalten von zwei Männchen in Anwesenheit eines Weibchens auszuwerten, dass wagemutigere Individuen in dieser Konstellation ausgeprägtes Balzverhalten zeigten während die scheueren Männchen das Weibchen ohne Anzeichen von Balzverhalten einfach ignorierten. Unsere Ergebnisse erlaubten uns zum einen eine Methode zu entwickeln die das Temperament der Schildkröten charakterisierte und die zum zweiten uns ermöglichte zu erkennen, dass Temperament einen wichtigen Verhaltensbestandteil für die Interaktionen zwischen Männchen und Weibchen darstellt. Dabei haben wagemutigere Individuen einen Vorteil und sie betreiben den Aufwand einer Balz nur bei Anwesenheit eines männlichen Konkurrenten. Scheuere Männchen zeigen zwar ein ausgeprägtes Balzverhalten sie kopulieren aber nur wenn kein anderes Männchen anwesend ist. Diese zwei unterschiedlichen vom Temperament abhängigen Strategien diskutieren wir in Bezug zur Ökologie der Evolution und in Hinblick auf das Erhaltungsmanagement.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Diese Verhaltensbeobachtungen können durchaus für die Haltung dieser Art interessante Informationen liefern. Allerdings zeigen sie auch ein fast schon als allgemein zu bezeichnendes Bild (siehe auch Moldowan et al., 2020). Die Frage die sich dabei stellt ist eigentlich noch gar nicht richtig und vollständig beantwortet, denn die würde lauten – Welche Rolle spielt das für die Weibchen? Ja und diese letztere Frage ließe sich nur dann beantworten, wenn man mittels genetischer Untersuchungen bei den Schlüpflingen zeigen könnte ob in der Natur die wagemutigeren Männchen auch mehr Gelege befruchten als die scheueren, denn letztendlich haben auch Schildkrötenweibchen Auswahlmöglichkeiten in Bezug auf den Befruchtungserfolg (siehe Moon et al., 2006; Phillips et al., 2013). Deshalb denke ich, dass die Diskussion bei dem derzeitigen Wissensstand noch etwas spekulativ zu sein scheint und erst weitere molekulargenetische Vaterschaftsnachweise bei den Schlüpflingen zeigen könnten welche der Strategien wirklich die erfolgreichere ist. Wovor wir uns aber hüten sollten diese unterschiedlichen Verhaltensweisen unter menschlichen Moralvorstellungen beurteilen zu wollen, denn letztendlich geht es dabei nur die Aufrechterhaltung einer gesunden Populationsdynamik als Garant der Überlebensfähigkeit.

Literatur

Moldowan, P. D., R. J. Brooks & J. D. Litzgus (2020): Demographics of injuries indicate sexual coercion in a population of Painted Turtles (Chrysemys picta). – Canadian Journal of Zoology 98(4): 269-278 oder Abstract-Archiv.

Moon, J. C., E. D. McCoy, H. R. Mushinsky & S. A. Karl (2006): Multiple paternity and breeding system in the gopher tortoise, Gopherus polyphemus. – Journal of Heredity 97(2): 150-157 oder Abstract-Archiv.

Phillips, K. P., T. H. Jorgensen, K. G. Jolliffe, S. M. Jolliffe, J. Henwood & D. S. Richardson (2013): Reconstructing paternal genotypes to infer patterns of sperm storage and sexual selection in the hawksbill turtle. – Molecular Ecology 22(8): 2301-2312 oder Abstract-Archiv.

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